Pater Henkes war ein "Mann der Klarheit"
Gerold Sprenger informierte beim Infoabend des "Glaubenswegs" über Richard Henkes
Ruppach-Goldhausen. Praktische Völkerverständigung, Hilfsbedürftige unterstützen, Themen klar beim Namen nennen – für diese Werte steht der in Ruppach-Goldhausen geborene Pallottinerpater Richard Henkes, der am 22. Februar 1945 im KZ Dachau im Alter von 44 Jahren gestorben ist. „Diese Punkte sind momentan aktuell wie kaum irgendetwas anderes“, würdigt der langjährige ehemalige Ortsbürgermeister Gerold Sprenger das Glaubenszeugnis des berühmtesten Ruppach-Goldhauseners. Hat er es verdient, im Laufe dieses Jahres in Limburg zur Ehre der Altäre erhoben zu werden? „Ja, allemal. Ganz klar. Darüber braucht man gar nicht zu diskutieren!“ Wenn einer Dinge klar beim Namen genannt habe, ohne sich zu fürchten, dann sei das wohl Richard Henkes gewesen.
Transporte offen angesprochen
1937 habe es eine Anzeige aus dem Ort gegen Henkes’ Predigten gegeben. „Er hat offen die Transporte angesprochen, die von hier aus nach Hadamar gegangen sind.“ 15.000 Menschen wurden im Rahmen der NS-Euthanasie-Verbrechen in Hadamar ermordet. Vielfach werde mal schnell erzählt, dass die Menschen damals nichts davon gewusst hätten, wird Sprenger nachdenklich.
„Da bekommt man auf der anderen Seite so klare Aussagen, dass es Menschen wie Richard Henkes gab, der diese Dinge ganz offen angesprochen hat. Da hätte man beim Nachdenken schon drüber stolpern können, ob das alles so richtig ist, was uns die Staatsmacht so erzählt.“ Sprenger zieht Parallelen zur heutigen Situation. Auch heute verbreiteten sich schnell Gerüchte, die dann für allgemeingültig erklärt würden. „Heute hat man im Gegensatz zu damals Zugriff auf Medien, wo minutengenau aktuelle Dinge dargestellt werden.“ Die Nationalsozialisten hätten dagegen die Medien gleichgeschaltet.
Auch übertriebenes Nationaldenken sieht Sprenger als große Gefahr für heute. Wie soll man darauf reagieren? „Den Blick auf das Wesentliche verschärfen, die demagogischen Gerüchte erden und auf den Boden der Tatsachen zurückholen“, fordert Sprenger.
Innere Freiheit und Gemeinschaft
Aus innerer Freiheit zu leben und von einer Gemeinschaft getragen zu werden – diese Werte hätten dem Pallottinerpater Kraft gegeben. So habe er zum Beispiel als Pfarrer eines Dorfes im heutigen Tschechien, in Strahovice (früher Strandorf) konkrete Hilfsmaßnahmen für KZ-Insassen in Auschwitz gestartet. „Das geht nicht allein, sondern, wenn man zumindest mal ein Umfeld hat, das dann einiges mittut.“
Sprenger setzt sich dafür ein, das Glaubenszeugnis von Pater Henkes in die konkrete Situation heute zu übersetzen. „Es wäre sicherlich die verkehrte Botschaft, jemandem zu sagen: Du musst jetzt bis in den Tod für irgendwas kämpfen und hineinrennen.“ Als Henkes’ Kernbotschaft versteht Sprenger die praktisch gelebte Nächstenliebe: „Dem Nächsten zu helfen, egal, welche Hautfarbe er hat, welchen Glauben er oder sie hat. Ich will das gerne ein bisschen weiter fassen.“
Ruppach-Goldhausen geprägt
Diese Prägung durch Pater Henkes habe sich auch im Rahmen der Festaktivitäten zu Henkes’ hundertsten Geburtstags im Jahr 2000 vielfach ausgedrückt, erinnert sich Sprenger. Da gab es ein Theaterstück zu Henkes’ Leben, eine Ausstellung über sein Leben und Wirken und Diskussionsrunden mit Zeitzeugen. An diesem großen Engagement sei feststellbar gewesen: „Da sind im Unterbewusstsein solche Denkmuster ganz einfach verhaftet.“ Als weiteres Beispiel führt Sprenger das aus seiner Wahrnehmung herausfordernde wie vorbildliche Engagement für die ehrenamtliche Unterstützung der Ersteinrichtung für 250 Asylbewerber im Jahr 2015 an. „Da wohnten plötzlich 250 Asylbegehrende in einer Gemeinde von 1.250 Einwohnern. Das ist schon eine Hausnummer!“ Die Gemeinde und die Vereine hätten sich dankenswerterweise schnell zusammengeschlossen. „Und wir haben gesagt: Wenn wir nicht von vornherein Unterstützung leisten, den Menschen eine Perspektive geben, dann kann sowas auch entgleiten. Das war eine Maßnahme, die zum einen auf Helfen ausgerichtet war, aber auch vorausschauend: Wie kann man die Dinge so begleiten, dass die Menschen sich hier zumindest angenommen fühlen?“
„Mann der Klarheit“
Sprenger bezeichnet Pater Henkes als „Mann der Klarheit“, der den großen Rahmen angesprochen habe, aber dann im Kleinen ausgesprochen konkret geworden sei. Als Beispiel für konkrete Völkerverständigung im Sinne von Pater Henkes’ Ansatz sieht Sprenger die seit 2003 schrittweise gewachsene Partnerschaft zwischen dem tschechischen Strahovice und Ruppach-Goldhausen. „Wenn ich in meinem Umfeld betrachte, wieviele Menschen sich auch außerhalb dieser offiziellen Fahrten begegnen, zum Beispiel zu Geburtstagsfeiern hüben wie drüben, da wird sich mal zum Urlaub verabredet, da merkt man und spürt man: Wenn die Menschen sich erst einmal kennen, dann fallen Schranken.“ Diese wechselseitige Vertrautheit hat bei Sprenger einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.
Projekte und Partnerschaften
Für die Zukunft sind schon anlässlich der im Laufe dieses Jahres anvisierten offiziellen Seligsprechung einige Projekte geplant. So werde in einem Zentralprojekt in den Kindergärten und Schulen hüben wie drüben pädagogisch zum Leben von Pater Henkes gearbeitet. Auch der Raiffeisen-Campus in Dernbach ist mit eingebunden. An einem Projekttag in Dernbach habe Sprenger schon mitgewirkt. „Wir sind da relativ guter Dinge, dass aus diesem Projekt heraus eine Schulfreundschaft zwischen einer tschechischen Schule und dem Raiffeisen-Campus entsteht.“